5.12.97

WERNER SACHT NOCHMAL BESCHEID - und das ist ohne Magenmittel kaum auszuhalten

 

Ein Gröhlen, Flaschenklirren und donnerndes Aufstoßen wallt durch die Aktionärsversammlung der Achterbahn AG. Das neue Erzeugnis, ein Taschenbuch aus dem Werner-Sektor, hat eine eigene ISBN-Nummer erhalten. Was Besseres kann man über Brösels Machwerk »Bescheid!« nicht sagen.

Krakelige Graphik, blasse Farben, krampfige Witze und zu teuer. Da bedarf es einer gehörigen Portion Einfühlung, um Sinn und Form dieses sogenannten Themenbandes zu würdigen.

Inhalt der vier kurzen und fünf längeren Bildererzählungen sind die sozialen Störungen der bekannten Charaktere Werner, Ossi, Kalli, Hörni usw., sämtlich 2-4jährige Erwachsene, die sich zumeist unter enthemmendem Alkoholeinfluß befinden. Auf der ewigen Suche nach einem Ersatz fürs In-die-Windeln-Machen ist ihnen jedes Mittel recht, gegen die bürgerlichen Werte und Regeln zu verstoßen. Das ist gut, denn die Aufarbeitung aktueller gesellschaftlicher Probleme erhöht die Marktfähigkeit des Produkts.

Welches Beispiel aber geben die Figuren unserer Jugend? Ein Mensch erbricht sich in das Gesicht seines Freundes; technisches Gerät, das Ergebnis von Erfahrungen mehrerer Generationen, wird in zerstörerischer, sich selbst und andere gefährdender Weise bedient; Habgier und Hemmungslosigkeit werden als Bedingungen des Lebens geschildert. Daß es sich dabei um Auflehnung gegen jede Form von Autorität handelt, wird in folgender Geschichte nur zu deutlich: Als Werner und seine Freunde bei ihrer flüssigen Brotzeit auf dem Bau vom Polier dafür zur Rede gestellt werden, daß sie keine Helme tragen, ist das Vergnügen auf ihrer Seite, als er im nächsten Augenblick von einem mächtigen herabfallenden Betonblock getötet wird - trotz Helm!

Da sämtliche Entgleisungen im Alkoholrausch geschehen, kann die Warnung vor jenem norddeutschen Brauereierzeugnis namens »Bölkstoff«, das vom Personal dieses Buches favorisiert wird und das es auch in echt gibt, gar nicht ernst genug ausgesprochen werden.

Gefährdet Werner die Jugend? Nein. Er kann ihr kein Vorbild sein, ist sie doch das seine. Viel bedenklicher erscheint in Zeiten, in denen Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewußtsein die wichtigsten Erwachsenen-Tugenden sein sollten, daß hier die frühkindliche Rebellionsphase als Lebensprinzip unkritisch idealisiert und Erwerbsfähigen zur Nachahmung empfohlen wird. Da ist der soziale Abstieg schon programmiert.

Daß Werner Bescheid sagt, ist nicht neu. Im Gegenteil, es hat einen Bart. Die Sammlung ist also ein hervorragender Einstieg für Neulinge und der Weihnachtstip für Fans, die ihre nicht so guten Freunde endgültig verekeln möchten. Das ist gut und schafft Klarheit. Aber Vorsicht! Das Buch ist schlecht und schlägt einem auf den Magen. Aber man gewöhnt sich furchtbar schnell daran. Das ist der Trick. Und die Aktionäre freuen sich.

Matthias R.Entreß

 

Brösel: Werner - Bescheid! 128 Seiten, vierfarbig, DIN A 5, DM 19,80. Achterbahn AG, Kiel