Pansori „Sugungga – Das Lied vom Unterwasserpalast“ (epischer Gesang) Hör- und Textbeispiel

 

13.6.09 Karlsruhe, Musikhochschule

Marstall, 17 Uhr

 

17.6.09 Hamburg Völkerkundemuseum, 19 Uhr

 

19.6.09 München, Stadtmuseum, 19.30 Uhr

 

Mit simultaner Textprojektion

 

Wang Kiseok, Sänger

Lee Won-wang, puk (Faßtrommel)

 

                                                                                   © by NTOK, honorarfrei

 

Pansori, das man etwas trocken als epischen Gesang bezeichnet, ist eine musikalisch-literarisch-theatralische Kunst, die es im Verlauf seiner Geschichte über alle sozialen Schranken hinweg von einer derben Wochenmarktbelustigung zur höchsten Anerkennung und bis in die Liste des Weltkulturerbe der UNESCO geschafft hat.

Die Grundsituation kann kaum „ärmer“ sein: ein Sänger singt und erzählt, ein Trommler begleitet ihn. Dennoch, wenn man in Korea in der Pause einer der zumindest in Seoul selten gewordenen kompletten Pansori-Aufführungen den Leuten lauscht, wie sie über die Aufführung reden, könnte man glauben, sie hätten eine große Oper oder einen Monumentalfilm in Cinemascope und 3D mit Dolby Surround gesehen, so sehr hat die Kunst des Sängers ihre Phantasie entfacht.

Es ist kein Theater, denn der Sänger stellt die Figuren der Geschichte nicht dar, sondern er gestaltet mit allen dieser Kunst typischen virtuosen stimmlichen und gestisch-mimischen Mitteln die Erzählung auf farbigste und interessanteste Weise. So könnte man es ein „Theater des Erzählens“ nennen. Die Geschichte ist dieser Darbietungsform angepaßt: Alles Geschehen wird im Präsens erzählt und so in die direkte Gegenwart des Erlebens gezogen, die Ansprache ans Publikum ist direkt und der Wechsel (oder die langgezogene Entwickung) der Stimmungen ist auf größtmögliche Wirkung hin gearbeitet. Die einzigen Requisiten, sind ein Fächer in der rechten und ein Schweißtuch in der linken Hand des Sängers, und ein Tischchen mit einer Flasche Soju (Reisschnaps) oder Makkoli (Reisbier) sollte ebenfalls vorhanden sein, um dem Sänger hin und wieder ein Luftholen zu gestatten, denn eine Aufführung kann, je nach Stück und Version, bis zu acht Stunden dauern. („Sugungga“ ist ein eher kurzes Pansori und dauert etwa zwei Stunden, Pause nicht mitgerechnet).

Die Trommelbegleitung erscheint dem westlichen Zuhörer spontan dem Affekt folgend, es sind aber komplexe und lange Rhythmusmuster namens Jangdans, die dem jeweiligen Abschnitt angemessen sind. Es wird genau unterschieden, ob mit dem Trommelstock in der rechten Hand auf das Fell oder auf den Korpus geschlagen wird, oder ob die linke Hand einen dumpfen Schlag auf das linke Fell ausführt. Außerdem gibt der Trommler ermunternde und lobende Zurufe von sich, um den Sänger bei Laune zu halten. Diese Aufgabe hat auch jener Teil des Publikums, der dessen kundig ist. Die Chuimsae, Ausrufe wie „Eolssigu! (Gut gemacht)“, „Jodta! (gut!) oder „Jochi“ (schön!) sind für den Sänger während der langen Aufführung wichtig, um seinen Adrenalinspiegel hoch zu halten.

Die wichtigsten Jangdans, mit denen der Trommler den Sänger rhytmisch kontrolliert, sind das recht universelle Jungmori mittleren Tempos, das rasche Jajin- und das rasende Huimori, die heitere und turbulente Szenen begleiten, oder das traurigen Gesängen und lyrischen Beschreibungen vorbehaltene sehr langsame Jinyangjo.

   Von ehemals 12 Pansoris sind heute noch 5 übriggeblieben. Verlorengehen konnten die anderen schlicht durch den Mangel an Nachfrage, sodaß sich die jahrelange Mühe der auch heute noch so praktizierten rein mündlichen Überlieferung nicht mehr lohnte. Es gibt keine Noten und keine wirklich gültigen Textbücher. Wenn ein Schüler von seinem Meister ein Pansori gelernt hat, also wenn er jede stimmliche Komplikation, jeden Ausdruck, jede Geste, selbst jede Nebenbemerkung in den Erzählteilen, die sich regelmäßig mit den Gesängen abwechseln, angenommen hat und sich in zahlreichen Aufführungen dieser Fertigkeiten versichert hat, mag er anfangen, Änderungen anzubringen und eventuell sogar neue Gesänge einzufügen, was heute aber eher selten ist.

Über die Anfänge des Pansoris, das eng mit dem Gesangsstil der südlichen Provinzen Jeolla und Gyeongsang verbunden ist, gibt es keine Aufzeichnungen, nur Vermutungen. Diese von den Gelehrten ehemals verachtete Kunst wurde erstmals 1754 erwähnt, als die Pansori-Kunst bereits weit entwickelt war. Vorformen des Pansoris waren Teil der Schaustellerattraktionen auf Märkten, möglicherweise bereits im 10.Jahrhundert. Pansori-Sänger sollen die Ehemänner von Schamaninnen gewesen sein, die so etwas aus dem Schatten ihrer Frauen heraustreten wollten…

Alle fünf heute noch gesungenen Pansoris sind Prototypen der Gattung: „Chunhyangga“ ist ein realistisches, sozialkritisches Liebesdrama, „Simcheongga“ ein rührendes Märchen über Armut und selbstlose Elternliebe; „Jeokbyeokga“ ist eine historische Kriegserzählung aus der Zeit der chinesischen Drei Reiche; „Heungboga“ ein Gleichnis vom guten und bösen Bruder. Alle sind überaus aufregend und vereinigen komische und tragische Elemente in sich. Aber „Sugungga“, die Tierfabel von der Königstreue, ist unter  allen die komischeste, mit zahlreichen grotesken Situationen, aber gleichermaßen voller lyrischer Landschaftsschilderungen und Erinnerungen an die chinesische Geschichte und Mythologie.

Die Handlung: Der Drachenkönig des Südmeeres ist schwer erkrankt, und der Diagnose einer taoistischen Himmelsfee zufolge kann er nur durch eine Hasenleber geheilt werden. Wie sollen die Unterwasser-Untertanen aber einen Hasen finden? Die Sumpfschildkröte stellt sich zur Verfügung, den Hasen zu jagen, reist in die „staubige Welt zu Lande“ und findet tatsächlich dieses Tier. Er verspricht ihm eine hervorragende Karriere im Dienst des königlichen Militärs, und so folgt ihm der anfangs wasserscheue Hase tatsächlich in die Unterwasserwelt. Dort merkt er sehr schnell, daß er auf eine Lüge hereingefallen ist und daß sein Leben in höchster Gefahr ist. Aber er ist zum Glück mindestens genauso listig wie die Sumpfschildkröte! Nachdem er sich durch eine List befreit hat, begegnen ihm, wieder an Land, andere tödliche Gefahren, denen er stoisch und mit scharfem Witz begegnet.

Matthias R. Entreß

 

 

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Anfang von „Sugungga“ nach oben

·         Erzählung: Der Drachenkönig des Südmeeres ist nach einem großen Fest erkrankt.

·         Langsamer Gesang: Er klagt über sein hoffnungsloses Schicksal

·         Schneller Gesang: Ein taoistischer Weiser kommt und bietet seinen medizinischen Rat an.

Text:

1.     #

Erzählung

Im Sommer des Jahres Kapsa errichtet der Drachenkönig des Südmeeres einen neuen Palast und gibt danach ein riesiges Fest.

Er lädt all die Drachenkönige der anderen Meere ein. Zehntausend bedeutende Gäste vergnügen sich im Palast.

Vielleicht hat der Drachenkönig zuviel gegessen, denn ausgerechnet jetzt erkrankt er ernsthaft. Kein Heilmittel will helfen. Er seufzt schwer.

 

2.     #

Gesang (Jinyang)

Er schlägt mit seiner Faust dangdang auf den Tisch und schreit und weint. „Ich habe so einen unvergleichlichen Körper, trotzdem habe ich diese seltsame Krankheit bekommen.

 

Hoch oben in einem Zimmer meines Palasts liege ich ganz allein im Bett. Berühmte Ärzte wie Hua Tuo und Pian Que aus der alten Zeit gibt es nicht mehr.

Wer kann mich bloß retten?“

So klagt er über sein Schicksal und macht einen fürchterlichen Drachenlärm.

 

3.     #

Gesang (Eotmori)

Plötzlich senken sich schwarze Wolken auf den Palast nieder. Wilde Winde und feiner Regen wirbeln in vier Richtungen herum. Da kommt ein taoistischer Unsterblicher im Feenkleid in den Palast herunter.

Er verneigt sich zweimal und sagt: „Ich bin auf dem Weg zum dreitausend Meilen langen Ruo-Fluß, um wilde Rosen zu betrachten und um dort den tausend Jahre alten himmlischen Pfirsich zu pflücken.

Ich war schon auf dem Weg zurück in den Himmel, da hörte ich Gerüchte, daß Eure Majestät schwer erkrankt seien. Deswegen bin ich gekommen, um Sie zu sehen.“


Wang Kiseok wurde 1963 in Jeongeup geboren, wurde schon 1983 Mitglied des National Theatres of Korea, wo er seit langem Hauptdarsteller in der Changgeuk-Company ist. Er war Schüler der Pansori-Meistersänger Park Bongsul und Nam Haesung. Er ist Inhaber des Diploms für den Fünften Wichtigen Immateriellen Kulturschatz, Pansori Sugungga.

1988 war er maßgeblich an der Gestaltung des Kulturprogramms der Olympischen Spiele in Seoul beteiligt. Er führte Regie bei Changgeuk-Aufführungen (eine Opernform auf der Basis der Pansoris), und komponiert Musik dafür und erhielt zahlreiche Preise als Pansori-Sänger, u.a. 2005 den 1.Preis beim Jeonju-Pansori-Wettbewerb. Seine wichtigste Aufgabe ist die Pflege des Pansoris in Form kompletter Aufführungen (Wanchang), von denen er vier Stücke in seinem festen Repertoire hat: Simcheongga, Chunhyangga, Jeokbyeokga und Sugungga. Neben zahlreichen Aufführungen im Rahmen der internationalen Aktivitäten des Nationaltheaters Seoul hat er 2004 zwei vierstündige Aufführungen von Simcheongga in Hamburg und Berlin bestritten, und wurde mit seinen Aufführungen von Sugungga in Mailand, Turin, Stuttgart und Berlin 2007 zum wichtigsten Botschafter dieser Kunst in Europa. 2007 hat er seine leitenden Funktionen beim Nationaltheater aufgegeben, bleibt aber als Solist im Ensemble. Teilnahme an über 100 Inszenierungen, Gastspielreisen führten ihn in 20 Länder der Welt.

 

 

Lee Wonwang, geboren 1972, ist ebenfalls Mitglied des National Theatres of Korea, wo er im Ensemble der Instrumentalmusik beschäftigt ist. Er erhielt Große Preise als Daegeumspieler beim Chunhyang-Festival in Namwon und beim Bambus-Festival in Damyang, sowie als Trommler beim Nationalen Kosu-(Pansori-Begleiter) Wettbewerb in Jeonju. Er ist Absolvent der Chonbuk University, Abt. traditionelle Musik. Seine wichtigsten Lehrer waren Jeon Tae-jun, Won Jang-hyun, Lee Chul-ju.

 

 

Wang Kiseok (l.) und Lee Wonwang im Hamburger Völkerkundemuseum. (Photo: Dorothea Suh)

Wang Kiseok (l.) und Lee Wonwang im Marstall der Karlsruher Musikhochschule (Photo: MREntreß)