BERLINER PHOTOKUNST IM BLICK DER RUSSEN

- Photographie mit und ohne Objektiv im Marstall -

 

Zurück aus Moskau! Die Ausstellung Berliner »fotospektiven«, die morgen abend im Marstall am Schloßplatz er­öff­net wird, dreht nicht nur innere Blicke nach außen, verwirrt Ansich­ten, spielt mit Bildern, sondern ist auch durch die Mühle der kritischen Mos­kau­er Kunstwelt gegangen.

Organi­siert von der auf deutsch-russischen Kulturaustausch speziali­sierten M.O.S.A. e.V. reisten im ver­gangenen Juni acht Berliner Künst­ler an die Moskwa und führten dort in deutlich unterscheidbaren Beispielen den geistigen und tech­nisch-methodischen Variantenreichtum rund um das Medium Photographie vor.

Kulturaustausch ist die mutige Begegnung mit dem Fremden. In der heißdiskutierten Ausstellung im Mos­kauer Art Media Centre wurden die Ber­liner mit einem unersättlichen In­teresse an Neuen Medien und neu­esten computer­technischen Mög­lich­keiten, d.h. mit einem ein­sei­tigen Bild westlichen Fort­schritts kon­fron­tiert.

So wurde die plasti­sche Künst­lich­keit von Wilmar Koe­nigs Groß­pho­tos ausgestopfter Tiere aus Natur­kunde­museen zunächst für das Er­geb­nis computergraphischer Col­la­ge­tech­nik gehalten, was sie nicht sind.

Heike Hamanns »Doppelblackbox«, ein riesiger lichtgeschützter Würfel mit einer Kantenlänge von gut 4 Me­tern, ist ein Gerät zum Nachdenken über Bildvorstellungen. Sie enthält zwei betretbare, nur durch eine Lin­se verbundene Räume mit weißer Pro­jek­tionsfläche. Bei abwechselnder Be­leuchtung wird der eine Besucher zum Gestalter seines im anderen Raum umgekehrt projizierten Bildes, in das sich der dort Stehende inte­grie­ren kann.

Während die konzeptuell denkenden Russen keine Schwierigkeiten hatten, sich nur mittels darin entstandener Photos in den aus Platz- und Kosten­gründen nicht aufgebauten Bild­ap­pa­rat soweit einzufühlen, daß es zu ei­ner lebhaften Debatte über die Frage nach seiner Interaktivität kam, stießen die faszinierenden Dia­pro­­jek­tionen von Beatrice Wrobels Loch­­kameraphotos auf seltsames Un­ver­ständnis. Zu simpel war ihnen die­se archaische Technik. Die gleich­­m­äßige Unschärfe dieser Bilder saugt den Blick des Betrachters an und zwingt ihm die Perspektive der Künstlerin und ihre Körperlichkeit auf.

Der krasse Gegensatz zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und der Welt westlicher Werbeplakate reg­te Oliver Scholten an, für die Berliner Schau eine Photoinstalla­tion aus überraschend »normal« wir­kenden Moskauer Ansichten zu schaf­fen. Sven Hagolanis Traumsequenz mit Spiegeln über Androgynität, die com­puter­tech­nisch entstellten Star­mo­del­photos von Klaas Krüger und eine in Moskau entstandene Multi-Media-Collage zum Mitmachen vom Duo Sun­der-Plassmann/Torinus reflektieren über die Begriffe Schönheit, media­ler Imagination und Wirklichkeit.

 

Matthias R.Entreß

 

Eröffnung am 28.8. um 20 Uhr. Ausstellung 29.8.- 27.9., tgl. außer Dienstags 14-19 Uhr. Galerie im Marstall, Schloßplatz 7 (Eingang Rathausstr.) Eintritt frei.