15.1.98

GENERATIONENWECHSEL IN DER NEUEN MUSIK

- Die Avantgarde-Szenen in England, Deutschland und Italien im Überblick

 

- »ex negativo«, zu deutsch »aus der Verneinung« - dieses Prinzip jeglicher Avantgarde verwirft untaugliche Zuversicht und verlangt Kreativität um jeden Preis. Das kurze aber gehaltvolle Musikfestival dieses Namens, das co-produziert vom Deutschlandradio von morgen an bis Sonntag im Podewil und in der Jesus-Christus-Kirche in Dahlem stattfindet, stellt die Frage, ob mit dem Generationenwechsel auch neue Probleme und Lösungen auftauchen.

In diesem vierten Jahr des Festivals werden neben der deutschen diesmal die besonders prägnanten nationalen Avantgarden Großbritanniens und Italiens in jeweils eigenen Konzerten vorgestellt. Die Britische Musik hat seit Erscheinen der strukturbetonten »New Complexity« Anfang der 70er Jahre, dieser lebhaften und fast heiteren Antwort auf den Serialismus, die beste Zeit seit Purcell. Während am ersten Abend mit dem trio recherche ein kurzer Überblick seit 1955 gegeben wird und das neue Streichtrio des Chefavantgardisten Bryan Ferneyhough erklingt, wird im Sinfonie-Konzert am Samstag in Dahlem mit dem RSB mit vier deutschen Erstaufführungen der neuen Tendenz zur Klanglichkeit Rechnung getragen, darunter das brillante »...but all shall be well« des in England auch als Interpret sehr umworbenen Thomas Adès. In der Klaviermatinee Sonntag um 11 im Podewil wird Hwa-Kyung Yim Stücke von Komponisten dreier Altersgruppen, darunter ein sehr neues vom shooting star Isabel Mundry, und »Bagatellen« von Dieter Schnebel spielen, dessen Name seit den 60ern ein Synonym für Avantgarde ist. Da seit dem Tod von Nono und Scelsi die italienische Gegenwartsmusik im Ausland praktisch ausschließlich von Salvatore Sciarrino und Luciano Berio vertreten ist, wird das Abschlußkonzert des Kammerensembles Neue Musik Berlin im Podewil mit neuen Varianten der musikalischen arte povera bekannt machen. Im Mittelpunkt ein schwerer Brocken: Das halbstündige ITI.KE.MI für Solobratsche des letztjährigen Busoni-Preisträgers Pierluigi Billone.

Matthias R.Entreß

 

trio recherche, 16.1., 20.00 Uhr im Podewil, Klosterstr.68-70

Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Ltg. Stefan Asbury, 17.1. 20.00 Uhr in der Jesus-Christus-Kirche, Hittorfstr.21, Dahlem

Hwa-Kyung Yim, Klavier, 18.1., 11.00 im Podewil

Kammerensemble Neue Musik Berlin, Ltg. Roland Kluttig, 18.1., 20.00 im Podewil

Die angekündigte Podiumsdiskussion muß leider auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden