18.6.99

 

PLATTEN-SPIELER MIT KNACKS

Das Schweizer Schauspielertrio Rust.Wolf.Zimmermann zu Gast im Dock 11

 

Erinnern Sie sich noch an "Schallplatten"? Das waren doch diese schwarzen runden Dinger, die man "auflegte", wenn man dazu in der Stimmung war. Die Schallplattensammlung war des Sammlers ganzer Stolz, und wenn der "Plattenspieler" lief, dann entfaltete sich eine Welt von Klängen und Gefühlen, die man sein eigen nannte. Die Schallplatte war Teil des Individuums.

Das Schweizer Schauspielertrio Rust.Wolf.Zimmermann bedient sich bei seinem Berliner Gastspiel im Dock 11 nun dieses Kultobjekts des Selbstgefühls und denkt sich die in der avancierten DJ-Szene entwickelte Musikcollagetechnik ins Theatralische weiter. Das Stück der ersten Aufführungsserie, "Die Flecken der Giraffe" - eine Anspielung auf die Kunst der entgleitenden Realität der Spanier Salvador Dali, Federico Garcia Lorca und Luis Bunuel - "handelt" von der Unvereinbarkeit dieses erworbenen Ichs mit Kommunikation. Sinnfällig wird das im Klangchaos der drei Plattenspieler. Die nicht näher bezeichneten Figuren erscheinen nurmehr als Marionetten ihrer Musik. Ihre Aktionen, Kaspereien mit Türmen von Plastikbechern usw. laufen ins Leere und erzeugen eine von Bert de Raeymaecker düster ausgeleuchtete Unordnung. Die drei Wohnzimmerclowns sind sprachlos. Sympathie und Antipathie bilden sich nur über den Umweg der  Plattenspielermusik. Versuche, sich gesellschaftlich zu verhalten, zerbrechen in grotesken Slapsticks, einer Zigarettenanzündeorgie und einem fast gruseligen Fratzentrio. Als tragische Metapher des Ich-Verlusts muß die massenweise Zerstörung von Schallplatten verstanden werden... Komischerweise klingt das gar nicht so schlecht. Die Entwicklung der Musik hat es ja schon immer verstanden, aus Untugenden ästhetischen Profit zu schlagen.

Die drei im Sprechtheater durchaus profilierten Schauspieler, alle in den Dreißigern, sind ohne Dichter zwar ohne Text, aber nicht ohne Ideen. Die Methode der Situations-Improvisation haben sie auch in "Der Schaum der Tage", einer Hommage an den 1959 jungverstorbenen Schriftsteller Boris Vian, angewendet (ab 24.6.). Ebenfalls mit Plattenspielern als Ausdrucksmittel - Sprache verkommt zu Plappern - wird hier eine minimalistische, schicke Stimmung im Stil der gegenwärtigen Ambientszene erzeugt. Und an die Nervosität und lebenslange Todesnähe Vians erinnert.

Matthias R.Entreß

 

Dock 11, Kastanienallee 79, Prenzl'berg: "Die Flecken der Giraffe" noch bis 20.6.#"Der Schaum der Tage" 24.-27.6., jew. 20.30 Uhr. Kartentel.: 448 12 22