Ende Nov. 1998

RÜCKBLICK IN DIE MODERNE ZEIT

Ernst Kreneks Operneinakter mit dem Deutschen Sinfonieorchester (DSO)

 

Die Goldenen Zwanziger Jahre haben als kurze Epoche geistiger Aufgeklärtheit in unserem musikalischen Bewußtsein nicht den Platz, der ihnen als Beispiel explodierender Modernität eigentlich zukommt. Zu sehr waren die meisten ihrer künstlerischen Errungenschaften den Tagesmoden gewidmet, sodaß heute vor allem der Staub auffällt, der an ihnen haftet. Auch die frühen Werke Ernst Kreneks haben es nicht zur Ewigkeit gebracht, seine ideologisch gänzlich unbekümmerte stilistische Freiheit, die ihn später zu eigenen Lösungen der Zwölftontechnik führen sollte, zeigt aber einen Künstler, der die kulturellen Reize der Zeit bis hin zu Revue und Jazz kreativ kombiniert. Der 1900 geborene Krenek, schon mit 21 als "zorniger junger Mann" bekannt, erlangte mit seiner [später von den Nazis verfemten] Jazzoper "Jonny spielt auf" 1927 Weltberühmtheit. Noch vor deren Uraufführung vollendete er ein Opern-Triptychon, das den Stilmix der "Jonny"-Oper reflektierte und ordnete. Zwei dieser leichthändigen kaum halbstündigen Einakter nach eigenen Texten wurden am Samstag konzertant vom DSO unter Marek Janowski in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche vorgestellt.

So unterschiedlich die Tragödie "Der Diktator" und die Burleske "Schwergewicht oder Die Ehre der Nation" inhaltlich und musikalisch auch sein mögen, die durchkomponierte Musik folgt dem Text stets aufs Wort und beschränkt sich auf wenige, klar konturierte Gegensätze. Im "Diktator", eine Parabel auf die Unbesiegbarkeit übelster Tyrannen Marke Karacic, wurde geradezu körperlich erlebbar, wie Naturschwelgerei und menschliches Gefühl von den atonalen Zynismen der teuflischen Titelfigur (messerscharf: Urban Malmberg) zerschnitten wird - weder der rachsüchtigen Offiziersgattin Maria, die der Erotik seiner Macht erliegt, noch der betrogenen Ehefrau gelingt es, ihn zu erschießen.

Ganz anders, aber ebenso handlungsnah, karikiert Krenek die grellkomischen Charaktere seiner Sportler-Oper "Schwergewicht", die er aus Empörung über die Erhebung von Leistungssportlern zu Nationalhelden geschrieben hatte. So, wie Boxer Adam Ochsenschwanz (Roland Bracht), Nebenbuhler, Fans und katzbuckelnde Würdenträger übereinanderstolpern, jagen sich im hervorragend disponierten DSO spritzige Tanzrhythmen und spaßige Instrumentaleffekte, die später die Klangkulisse bei Trickfilmen abgeben sollten.

Eine fruchtbare, luxuriöse Zeit, wo aus kleinen Ideen gleich ganze Opern wucherten!

Matthias R.Entreß