zum 17.10.
"Musica Vitale" - Wettbewerb der Weltmusik
Alle zwei Jahre, nun schon zum fünften
Mal, findet der große Berliner Weltmusik-Wettbewerb "Musica
Vitale" in der Werkstatt der Kulturen statt. Diesmal sind es
25 Gruppen und zwei Solisten aus 20 Nationen, die sich um den mit
2000 Euro dotierten Förderpreis bewerben. Die ursprüngliche
Idee des Wettbewerbs, das zugleich ein Mega-Festival im
Schnelldurchlauf ist, war, den zahlreichen in Berlin lebenden
Musikern aus aller Welt öffentliche Aufmerksamkeit zu
verschaffen, das heißt: dem Publikum bewusst zu machen, dass die
musikalische Vielfalt der verschiedenen Weltkulturen hier
vorhanden ist - ein unermesslicher geistiger Reichtum.
Das geografische Spektrum spannt sich auch in diesem Jahr buchstäblich
rund um den Planeten, von Ostasien über Südamerika, West- und
Nordafrika bis nach Osteuropa. Traditionelle Musik, also außereuropäische
"Klassik", und Folklore stehen gleichberechtigt neben
Jazzverwandtem und Tanzmusik.
Die Auftritte beim "musica vitale" sind nicht einfach
beliebige Ausschnitte aus dem Repertoire, sondern komprimierte
und wohldurchdachte Selbstdarstellungen, die nur 15 Minuten
dauern dürfen. Da nicht nur Virtuosität und Bühnenpräsenz,
sondern auch künstlerische Qualität auf dem Prüfstand steht,
heißt für die Musiker die wichtigste Frage: Was haben wir
erreicht, was ist neu? Und neu ist vieles, das sich aus den
interkulturellen Begegnungen in dieser Stadt ganz von selbst
ergibt. Wenn der Jazz- und Klezmer-Trompeter Paul Brody, der
heute beim Auftaktkonzert dabei ist, die Tonskalen der türkischen
Musik entdeckt, dann ergeben sich daraus Perspektiven, die über
das rein Musikalische weit hinausgehen. Doch nicht nur die
Synthesen, die dem Berliner Schmelztiegel der Kulturen entwachsen,
stellen sich vor, auch Gruppen, die sich um die originalen
Spielpraktiken bemühen, treten auf. Die Trommelgruppe "Shin
Miyoung" z.B. spiegelt die Renaissance wider, die ihre ursprünglich
bäurische Musik derzeit in Korea erlebt. (Ein besonderes
Ohrenmerk richten die Juroren auf die Solisten der
Akkordeonfamilie. Akkordeon, Bajan und Bandoneon haben in allen
Bereichen der Musik einen erstaunlichen Aufwind bekommen, ein
guter Grund für einen Extrapreis.)
"Musica Vitale" dokumentiert den derzeitigen Stand der
Dinge der so genannten Weltmusik. Ist afrikanische Musik besser
pur oder wenn sie sich dem Pop annähert? Bewähren sich deutsche
Spieler im "fremden" kulturellen Zusammenhang? Dazu
sich eine Meinung zu bilden, gibt es heute bis Sonntag mannigfach
Gelegenheit.
Matthias R. Entreß