21.10.01
 
Kontrollierte Ekstase
 
Koreanische Trommeltänze bei den Theaterwelten
 
 
 
Das nationale Kulturerbe Koreas im Bewusstsein zu halten und es unterhaltsam, aber historisch korrekt zu präsentieren, das ist die Aufgabe der "National Dance Company of Korea" aus Seoul, die am Wochenende umjubelter Gast bei den "Theaterwelten" der Berliner Festspiele war. Initiatorin und Kuratorin dieses Gastspiels war die Wuppertaler Tanztheaterpionierin Pina Bausch. Sie hatte begriffen, welche Spannung zwischen den längst entrückten Bedingungen dieser Kunst und ihrer Präsentation auf der Bühne herrscht, die immer in der Gefahr ist, zum Klischee von "Anmut" und "Schönheit" zu verkommen.
 
So lohnte es sich, genau hinzuschauen: das maskenhaft starre Lächeln der Tänzerinnen, die sich im einleitenden Pfingstrosentanz in vielfältiger Formation selber zum Boucquet arrangierten, setzte eine dem Theater gemäße Distanz. Vom scheinbar Bekannten über einen befremdenden Dämonentanz mit roten Fratzenmasken öffnete der Abend eine mit jeder Minute faszinierendere Kunstwelt, die nicht mehr nach höfischem Zeremoniell oder bäuerlichem Kult fragt, sondern zum zeitlos gegenwärtigen Erlebnis wird.
 
Tanz und Trommelmusik sind in Korea weithin eins. Tänze nach den extrem komplizierten Rhythmen wechseln sich ab mit dem zum Tanz erhobenen Musizieren der ekstatisch trommelnden TänzerInnen. Körper und Rhythmus sind untrennbar verbunden. Da wirbeln die Schlagstöcke, die weiten Ärmel, die Rockschöße und Zöpfe im Unisono, immer im Puls gehalten von dem "Boing!" des Gongs Ching. Beruhigung tritt ein mit einem kurzen Solo auf der kleinen Oboe P'iri. Ein Liedtanz von der Insel Chindo zum Vollmondfest, ein verschlungenes Ringelreihn, wird in seiner schlichten Fröhlichkeit zum ergreifendsten Stück des Abends. Doch nichts gegen den fantastischen Trommellärm des geradezu sinfonischen Finales! Unter dem Diktat der größten Fasstrommel Buk erzittert das Festspielhaus und treibt das Publikum zu gleichfalls ungekannter Beifallsraserei. Das eigensinnige Idiom der koreanischen Musik, es wurde verstanden.
 
Matthias R. Entreß