20.9.01
Bühnen abstrakten Hörens
Zwei Installationen von Hans Peter Kuhn in der
Parochialkirche
Hans Peter Kuhn war zur Peter-Stein-Zeit der
späten 70er Jahre der Klangmagier der Schaubühne, zwanzig Jahre lang
erfand er die Soundscapes, die den Inszenierungen Robert Wilsons international
die akustische Substanz verliehen. Gleichzeitig betrieb der 1952 in Kiel
Geborene zwischen Amerika, Australien und Japan seine Karriere als Licht- und
Klang-Installateur, die mit Riesenprojekten wie "The Pier" in
Manhattan oder dem Kran-Ballett am Potsdamer Platz großes Aufsehen
erregte. Jetzt sind zwei zurückhaltende Arbeiten in der
Parochialkirche/singuhr-hoergalerie zu sehen, die die Essenz des poetischen
Denkens von Hans-Peter Kuhn preisgeben: "Raster" und
"Landschaft".
Das Prinzip beider Werke ist das Aufeinandertreffen von
industrieller Nutz-Quadratik und Chaos, von Statik und Bewegung. Oder: Von Zeit
und Nichtzeit. Die "Landschaft" im Verlies des Glockenturmraums ist
ein begehbares Gitterboden-Plateau, streng rechteckig, darunter liegen in einem
exakt geplanten Durcheinander Leuchtstofflampen und Lautsprecher. Dies ist die
Situation. Belebt wird sie durch Klangereignisse, die wie Silberfischchen von
einem Punkt zum anderen flitzen. Ist es ein eingefrorenes Bild aus der
Elementarteilchen-Physik, sind die Geräusche Geister, die durch Ritzen aus
der Außenwelt hereindringen? Denn dem Alltag sind diese ihres
Zusammenhangs beraubten Geräusche allerdings entnommen. Kuhn weigert sich
jedoch, mit Lichtklang-Räumen wie diesem irgendwelche Geschichten zu
erzählen. Ihm geht es um das Hören von Bewegung in ihrer abstraktesten
Bedeutung.
Ist "Landschaft" relativ einfach und
messerscharf kalkuliert, weist "Raster", unten im Kirchenraum, eine
weitaus größere klangliche Vielfalt auf. Vom Menschen gemachte
Geräusche, meist der bewusstlose Lärm der Fabriken, führen hier
aus fünf mal fünf Kleinlautsprechern eine wolkige, nachhallende
Existenz. Wie so oft bei Klang-Installationen muss der Betrachter Zeit
mitbringen, und hier braucht er sie, um sich von den Assoziationen zu trennen.
Kuhns Impuls ist das räumliche Hören. Er versklavt nicht akustische
Phänomene, sondern schafft virtuelle Lausch-Bühnen, deren Spiel
ungeahnte Möglichkeiten der menschlichen Fantasie weckt.
Matthias R. Entreß
Parochialkirche, Klosterstr.67, Berlin-Mitte, bis
28.10., jew. Do-So, 14-20 Uhr. www.singuhr.de