12.12.01
Der beunruhigende Schallplattenladen
Galerie Gelbe Musik ist 20 geworden
Die Staatsbank Französische Straße war nicht
zu groß für dieses Fest. Die Elite nicht nur der Berliner Klangkunst,
Konzeptmusik und Performance Art, auch aus Japan, Holland, USA war gekommen um
unter der Regie der "Freunde Guter Musik" und vor dichtgedrängtem
Publikum ihre künstlerischen Glückwünsche einem kleinen
Schallplattenladen mit Ausstellungsbetrieb zum 20-jährigen Bestehen zu
entbieten: der Galerie Gelbe Musik. Der Name verweist auf den Beginn des
interdisziplinären Kunstdenkens des 20.Jahrhunderts, auf Wassily Kandinskys
Farbentheorie, die der Farbe Gelb beunruhigende, aufstachelnde Wirkung
zuschreibt. Am 11.Dezember 1981 hatte Ursula Block in der Wilmerdorfer
Schaperstraße ihr Geschäft eröffnet, das von Beginn an mehr sein
wollte als ein Umschlagplatz für Tonträger. Eine Ausstellung mit
Partituren, die aussahen wie Zeichnungen, z.B. von Laurie Anderson oder Earle
Brown war der Anfang, John Cage und Nam June Paik gaben sich hier die Klinke in
die Hand. Über die Jahre dokumentierte die Galerie die Entwicklung einer
Kunst, die aus klanglicher auch visuelle Imagination schlug.
Die Idee hatte einen langen Vorlauf. Die gleiche
Adresse war jahrelang Standort der berühmten "Galerie René
Block" ihres Ehemannes, die seit den 60er Jahren Schauplatz der frühen
Performance-Kunst gewesen war - Joseph Beuys, Paik/Moorman oder Henning
Christiansen hatten hier Furore gemacht - und wo in "Akustischen
Räumen" Werke bildender Künstler mit Klangelementen gezeigt
wurden.
"Der eigentliche Auslöser war die Ausstellung
'Für Augen und Ohren', die René in der Akademie der Künste
gemacht hatte, wo ich eine Phonothek zusammengestellt hatte. Es war das Umfeld
John Cage und Minimal Music, was man ohnehin mehr aus dem Galerien-Bereich
kannte und schätzte, was im Grenzbereich Performance und Klangkunst
lag." Wie damals, als sie anlässlich ihrer ersten Ausstellung nach New
York gereist war, um dort persönlich die Werke einzusammeln, versuchte sie
stets, an den weltweit wichtigsten Ereignissen der ars acustica teilzunehmen und
auch nach Berlin zu holen. Ausläufer der Fluxus-Bewegung einerseits, die
Amerikaner andererseits bilden die Schwerpunkte ihrer Ausstellungsarbeit. So ist
sie in den letzten 20 Jahren zu einem unverzichtbaren Bestandteil der
Kulturszene geworden, und das mit den relativ bescheidenen Mitteln, die vor
allem der CD-Verkauf abwirft. Sie ist wichtige Partnerin für
wissenschaftliche Institutionen und Bibliotheken - und eine wandelnde
Enzyklopädie der musikalischen Avantgarde, auf die Veranstalter und
Journalisten gerne zurückgreifen, ganz davon abgesehen, dass sich Musiker
und Künstler aus aller Welt sich in ihrem Laden immer zu Hause
fühlen.
Matthias R. Entreß