7.8.01

Sanfter Streicherklang aus Armenien

Das "Serenade-Symphony Orchestra" bei young.euro.classics



Mit dem Programmschwerpunkt auf Osteuropa bringt das
Young.Euro.Classics-Festival Musikkulturen nach Berlin, die
stark von lebendigen Volkstraditionen geprägt sind. Das kann
für unsere an die Kontinuität der Avantgarde gewöhnten Ohren
geradezu verstörend wirken - oder erfrischend, wenn es so
beschwingt und inspiriert daherkommt wie am Montag im
Konzerthaus mit dem "Serenade Symphony Orchestra" aus
Armenien.

In seiner Originalbesetzung eroberte das 1991 von
Absolventen der Tschaikowsky-Musikhochschule in Eriwan
gegründete Kammerorchester mit Eduard Mirzoyans Sinfonie für
Streicher und Pauken (1962) die Herzen der Hörer im sanften
Sturm. Keine Spur von nationalem Pathos oder reaktionärem
Getöse. Gleichwohl griff Mirzoyan, geb.1921, hier fast
ausschließlich auf die elegischen und gedämpft heiteren
Melodien der Lieder und Tänze seiner Heimat zurück, verband
sie zu einem nicht abreißenden Fluss von immer neuen Farben
und Gedanken. Den homogenen Streicherklang fächerte er in
selten erlebter fluktuierender Vielfalt auf. Nur an wenigen
Stellen polterten die Pauken zwischen das gemächliche Gesumm
der Saiten. Verdichtungen, tonale Reibungen und
überraschende Spiele mit der Intonation blieben nie
Selbstzweck, denn am Ende jedes klanglichen Wechsels
sprudelte eine neue Melodie hervor. Das Orchester, im Westen
durch regelmäßige Tourneen bereits gut bekannt, zeigte sich
im vollkommenen Einklang mit dem Werk und seinem kulturellen
Hintergrund.

Für die Uraufführung der 2.Sinfonie von Karen Hakopjan hatte
sich "Serenade" zum Großen Orchester erweitert. Leider gab
das Stück keinen Aufschluss über den derzeitigen Stand des
armenischen Komponierens, denn der 16-jährige als Wunderkind
geltende Komponist steckt noch ganz in den Fußstapfen seines
großen Landsmannes Aram Khachaturyan. Was er abgeliefert
hatte, war eine scheppernde Materialschlacht mit lauter
lauten leeren Gesten und unkritischen Anklängen an
stalinistische Sowjetmusik.

Die darauf folgende 5.Sinfonie (1937) von Schostakowitsch
hat hoffentlich sein Gewissen geweckt. Denn in der
überraschend zurückhaltenden, wiederum streicherzentrierten
Darstellung des dem "Serenade-Orchesters" seit der Gründung
vorstehenden Dirigenten Eduard Topchjan blieb der Zwiespalt
zwischen künstlerischem Willen und den staatlichen Dogmen
stets schmerzhaft spürbar.

Matthias R. Entreß